Ja das ist eine gute Frage und richtet sich eher an die
Menschen, die noch keine eigenen Erfahrungen mit Depressionen gemacht haben. Mein
Ziel, wofür ich diese Zeilen schreibe, ist der Wunsch das Verständnis von
psychischen Erkrankungen insbesondere der Depression zu stärken.
Psychische Erkrankung haben sehr vielfältige Gesichter und
ich werde nur einen Teil erklären können, denn jede Erkrankung zeigt sich
anders.
Eine Depression kann akut auftreten, von gefühlt einem
Moment auf den Anderen, oder aber sich anschleichen, sodass wir gar nicht
wirklich merken, dass sie kommt, bis wir zusammenbrechen. Ich gehe jetzt auf
die Symptome bei einer schweren Depression ein, nicht jede Depression hat diese
Ausprägung. Bestimmte Kriterien (ICD-10 Klassifikation) müssen erfüllt sein um
die Diagnose zu stellen, jedoch unterscheiden sich die Ausprägungen bestimmter
Symptome welches die psychischen Erkrankungen so facettenreich machen. Ich kann
nur meine persönliche Einschätzung und Erfahrung beschreiben.
Zu den Diagnosekriterien der Depression gehört der geringere
Antrieb und die geringe Aktivität des Patienten. Diese kann sich auf viele Bereiche
auswirken, so fühlen Betroffene oft eine unglaubliche Schwere, die meist morgens die stärkste Ausprägung besitzt. Es fällt schwer, die Augen auf zu machen, dann
aufzustehen und die kleinsten Alltagsaufgaben zu schaffen, wie z.b. morgens die
Zähne zu putzen, zur Toilette zu gehen oder sich anzuziehen. Jeder Schritt ist
eine Anstrengung und ein Kampf. Bei Vielen zeigt es sich auch in der
Geschwindigkeit, die nur subjektiv oder aber auch von Mitmenschen wahrgenommen wird, sodass es einige Zeit brauchen kann bis man eine Entscheidung treffen oder eine Antwort geben
kann. Einem fehlt die Kraft dafür. Manche Betroffene schaffen es nicht die
Alltagsaufgaben zu schaffen, egal wie sehr sie sich bemühen. Sie erscheinen
nicht bei der Arbeit, sagen Termine ab und bleiben im Bett. Bei schwerer Ausprägung, hat man nichtmal mehr die Kraft etwas zu essen und benötigt die Erinnerung/Pflege von Anderen dazu. Manchmal braucht es
nur ein wenig länger, bis man es schafft aufzustehen und wenn man den Anfang
geschafft hat, fällt es wieder einfacher. Oder aber es zieht sich den ganzen
Tag so hin. Aus dem Haus zu gehen erfordert schon eine große Anstrengung und wenn
man es dann tatsächlich geschafft hat, so hat man das Gefühl, das Leben zieht
an einem vorbei. Alle scheinend so weit weg zu sein. Man schaut wie sich Andere
unterhalten, wie sie arbeiten, wie sie lachen und laufen, aber fühlt sich nicht
wie einer von Ihnen. Freude scheint so weit weg zu liegen, dass man sie schon
garnicht mehr wahrnehmen kann. Für soziale Interaktionen hat man keine Kraft,
ist schon froh, wenn man es geschafft hat das gröbste zu schaffen.
Viele Betroffene haben auch Schlafstörungen. In der Nacht,
möchten man nichts anderes als schlafen zu können, aber der Kopf brummt ständig.
Ständiges Aufwachen, wirre (Alb-)Träume, Sorgenmachen oder Grübeln halten einen
wach. Zu schweren Zeiten war es bei mir morgens schon eine extreme Anstrengung den Arm
auszustrecken um den Wecker auszuschalten. Ich lag im Bett und versuchte meine
Augen irgendwie aufzuhalten um mich darauf vorzubereiten aufzustehen und zur
Vorlesung zu gehen. Manchmal lag ich über 12 Stunden im Bett bis ich die Kraft
fand mich aufzurichten, vorher war es einfach nicht möglich.
Soziale Interaktionen werden übermäßig anstrengend. Nur
schwer, schafft man es die Symptome zu überdecken, versucht mit den anderen
Personen mitzuhalten. Manchen depressiven Personen sieht man die Erkrankung an, da z.B. der Blick glasig ist
oder die Verlangsamung, Konzentrationsschwäche oder ständige Müdigkeit auffallen. Aber bei
manchen auch nicht, sie überdecken alles und brechen dann zusammen, wenn sie
alleine sind. Zur letzteren Gruppe gehöre ich. Meine ersten beiden depressiven Episoden und meine chronische Suizidalität bemerkte niemand, es wurde nichteinmal vermutet. Alleine mein erhöhtes Schlafbedürfnis fiel auf und die Behandlung der Kopfschmerzen war bekannt. Ich konnte es mit niemandem teilen und schaffte es immer wieder und wieder, meine Maske aufrecht zu erhalten, selbst wenn ich Vorbereitungen traf wie z.B. mich über Suizidmethoden zu informieren oder mir Schmerzen zufügte. Meine Familie wurde informiert als mein Suizid verhindert wurde. Sie ahnten zu dem Zeitpunkt nichteinmal, dass meine Depression schon 4 Jahre zuvor begonnen hatte, ich seid ca. 10 Jahren immer wieder meinen Suizid plante und seid einem halben Jahr wegen der Depression in Behandlung war, welche zu diesem Zeitpunkt den wichtigste Teil meines Lebens darstellte. Ich hatte in der aktuellen Phase, die seid 10 Monaten bestand, viele Probleme im Kontakt mit meiner Familie, da sie mir mein Verhalten zum Vorwurf machten.Ich war distanziert und meldete mich nur, wenn ich Probleme
hatte, reagierte empfindlich und desinteressiert. Sie dachten ich wäre zu faul um eigenes Geld zu
verdienen, zu dumm um das Studium zu schaffen und egoistisch sowie undankbar,
denn ich meldete mich nur, wenn ich um Hilfe bat. Außerdem wirkte ich desinteressiert und
distanziert. Ich stieß sie von mir weg, weil ich Ihnen nicht zeigen konnte, wie
es mir ging. Sie wussten nicht, dass mir zu so vielem die Kraft fehlte und ahnten nichteinmal, dass ich mich suizidieren würde. Selbst vor meinem Therapeuten hielt ich das wahre Ausmaß der Suizidgedanken versteckt, denn ich wollte mir diese Möglichkeit nicht nehmen lassen.
Zurück zu der Konzentrationsschwäche, sie ist
ein häufiges Symptom einer Depression und zeigt sich in unterschiedlichen
Ausprägungen. So kann sie sich in Vergesslichkeit zeigen oder
darin dass man nicht und nur sehr wenig aufnahmefähig ist, was einem z.B. beim Lesen zum verhängnis wird. Die Konzentrationsschwäche kann
aber auch soweit gehen, dass der Patient im Satz stockt und nicht mehr weiß,
was er sagen wollte oder sobald die Frage beendet ist, vergisst, wie sie lautete.
Häufig fühlt sich das Denken verlangsamt an, ständig kommen Gedanken, die einen
wie in einem Fluss aus dem eigentlichen Umfeld wegtreiben. Ständig schweifen
die Gedanken ab, kreisen häufig um immer die gleichen Gedanken. Situation aus
der Vergangenheit oder Zukunfts-Sorgen sind dominant, sie kommen und man hat
das Gefühl ihnen wehrlos ausgesetzt zu sein. Man denkt, das ist die Realität.
"Ich bin ein Versager. Ich schaffe das nicht. Ich werde alles verlieren". Der Gedankenfocus ist sozusagen nach
innen gerichtet. Die Gedanken stehen im Vordergrund. Manchmal fühlt man sich
unwirklich, denn alle um einen herum scheinen so anders zu sein und man bekommt
nicht mehr viel mit. "Welches Lied hab ich eigentlich gerade gehört? Was hat er
grad gesagt?" Und dann steigt man nicht mehr durch sein Gedankenchao durch und es überfordert einen. Die eigenen Gedanken überfordern und hat das Gefühl es nicht kontrollieren zu können. Sei es
nun ein Buch, eine Vorlesung oder der Papierkram auf der Arbeit, das Gehirn
scheint nicht mehr gut zu funktionieren. Die kleinen Sachen, die man früher als
selbstverständlich erachtet hat, klappen nicht mehr. Für viele Menschen ist es
entspannend z.B. einen Roman oder einen Krimi zu lesen, für depressive
Patienten stellt dies oft eine Hürde dar.
Also versucht man sich zu schonen, geht den anstrengenden
Situationen aus dem Weg und versucht Kraft zu sparen. Man geht seinem Wunsch
nach, sich ins Bett zu verkriechen.
Aktivitäten, die einem früher Spaß gemacht haben oder zur
Entspannung führten, sind nur noch anstrengend. Freude an den Tätigkeiten zu
empfinden scheint nicht mehr möglich. Es gibt einfach nichts mehr, bei dem man
sagen kann, es würde einem ein positives Gefühl geben. Die Gleichgültigkeit schwebt
über allem, einen Wert in Dingen zu sehen funktioniert nicht mehr. Wenn man es z.B. geschafft hat aufzuräumen und schaut sich das saubere Zimmer an, empfindet man nichts, da kommt einfach kein positives Gefühl mehr.
Sinn- und Hoffnungslosigkeit kommt auf. Wozu lohnt sich das
Leben, wenn man doch eh an nichts mehr Freude findet kann oder diese nur so
gering ist, dass der Schatten sie überdeckt? So kommt der Gedanke auf „Ich habe
keine Kraft mehr, ich kann nicht mehr und möchte einfach, dass alles vorbei ist,
dass ich meine Ruhe habe.“
Viele Depressive bekommen
das Gefühl wertlos und anderen eine Last zu sein. Es fällt schwer positives zu
sehen, denn die Gedanken sind vom schwarz überschattet. Bei mir war es viel der
Gedanke, ich sei ersetzbar. Ich hätte nichts Besonderes an mir, was andere
schätzen könnten. Jemand anderes könne alles besser, der würde nicht zu wenig
Energie haben um Geld zu verdienen, würde mehr lachen und die Stimmung
aufheitern statt sie herunter zu ziehen. Wen interessiere es, ob ich lebe? Na
klar, der Verstand sagt einem, ein Suizid ist für die Angehörigen ein
ziemlicher Schlag, aber das vergehe doch mit der Zeit. Nach ein paar Wochen,
Monaten oder Jahren würde jemand anderes einfach diese Rolle übernehmen. Jemand
anderes wird in deren leben treten und meine Lücke ausfüllen.
Egal wie sehr du glaubst, es würde nichts ausmachen, wenn du
gehst, ich bin mir sicher, dass dies nicht der Fall ist. Mir wurde es durch den verhinderten Suizid sehr deutlich gemacht, welche Auswirkung dieser hätte. Schon der Versuch hat so viel negatives ausgelöst, dass ich mir garnicht vorstellen möchte, wie es gewesen wäre, wenn er nicht verhindert worden wäre. Es ist Anderen nicht egal und
eine Menge Menschen würden dir gerne helfen dein Leben lebenswerter zu machen,
damit du diesen Ausweg nicht wählen musst. Und die Möglichkeit diese Hilfe zu
bekommen hast du. Du musst dafür nur einmal ins Internet schauen und schon findest
du Kontaktdaten von psychologischen Beratungsstellen, Seelsorgen oder der
(psychiatrischen) Notaufnahme, die dir.
Ich möchte darauf hinweisen, dass
ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an
medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über
die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen
persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen
in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche
Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten
ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen,
Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!
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