Freitag, 15. März 2019

Was bedeutet es depressiv zu sein?


Ja das ist eine gute Frage und richtet sich eher an die Menschen, die noch keine eigenen Erfahrungen mit Depressionen gemacht haben. Mein Ziel, wofür ich diese Zeilen schreibe, ist der Wunsch das Verständnis von psychischen Erkrankungen insbesondere der Depression zu stärken.
Psychische Erkrankung haben sehr vielfältige Gesichter und ich werde nur einen Teil erklären können, denn jede Erkrankung zeigt sich anders.
Eine Depression kann akut auftreten, von gefühlt einem Moment auf den Anderen, oder aber sich anschleichen, sodass wir gar nicht wirklich merken, dass sie kommt, bis wir zusammenbrechen. Ich gehe jetzt auf die Symptome bei einer schweren Depression ein, nicht jede Depression hat diese Ausprägung. Bestimmte Kriterien (ICD-10 Klassifikation) müssen erfüllt sein um die Diagnose zu stellen, jedoch unterscheiden sich die Ausprägungen bestimmter Symptome welches die psychischen Erkrankungen so facettenreich machen. Ich kann nur meine persönliche Einschätzung und Erfahrung beschreiben.
Zu den Diagnosekriterien der Depression gehört der geringere Antrieb und die geringe Aktivität des Patienten. Diese kann sich auf viele Bereiche auswirken, so fühlen Betroffene oft eine unglaubliche Schwere, die meist morgens die stärkste Ausprägung besitzt. Es fällt schwer, die Augen auf zu machen, dann aufzustehen und die kleinsten Alltagsaufgaben zu schaffen, wie z.b. morgens die Zähne zu putzen, zur Toilette zu gehen oder sich anzuziehen. Jeder Schritt ist eine Anstrengung und ein Kampf. Bei Vielen zeigt es sich auch in der Geschwindigkeit, die nur subjektiv oder aber auch von Mitmenschen wahrgenommen wird, sodass es einige Zeit brauchen kann bis man eine Entscheidung treffen oder eine Antwort geben kann. Einem fehlt die Kraft dafür. Manche Betroffene schaffen es nicht die Alltagsaufgaben zu schaffen, egal wie sehr sie sich bemühen. Sie erscheinen nicht bei der Arbeit, sagen Termine ab und bleiben im Bett. Bei schwerer Ausprägung, hat man nichtmal mehr die Kraft etwas zu essen und benötigt die Erinnerung/Pflege von Anderen dazu. Manchmal braucht es nur ein wenig länger, bis man es schafft aufzustehen und wenn man den Anfang geschafft hat, fällt es wieder einfacher. Oder aber es zieht sich den ganzen Tag so hin. Aus dem Haus zu gehen erfordert schon eine große Anstrengung und wenn man es dann tatsächlich geschafft hat, so hat man das Gefühl, das Leben zieht an einem vorbei. Alle scheinend so weit weg zu sein. Man schaut wie sich Andere unterhalten, wie sie arbeiten, wie sie lachen und laufen, aber fühlt sich nicht wie einer von Ihnen. Freude scheint so weit weg zu liegen, dass man sie schon garnicht mehr wahrnehmen kann. Für soziale Interaktionen hat man keine Kraft, ist schon froh, wenn man es geschafft hat das gröbste zu schaffen.
Viele Betroffene haben auch Schlafstörungen. In der Nacht, möchten man nichts anderes als schlafen zu können, aber der Kopf brummt ständig. Ständiges Aufwachen, wirre (Alb-)Träume, Sorgenmachen oder Grübeln halten einen wach. Zu schweren Zeiten war es bei mir morgens schon eine extreme Anstrengung den Arm auszustrecken um den Wecker auszuschalten. Ich lag im Bett und versuchte meine Augen irgendwie aufzuhalten um mich darauf vorzubereiten aufzustehen und zur Vorlesung zu gehen. Manchmal lag ich über 12 Stunden im Bett bis ich die Kraft fand mich aufzurichten, vorher war es einfach nicht möglich.
Soziale Interaktionen werden übermäßig anstrengend. Nur schwer, schafft man es die Symptome zu überdecken, versucht mit den anderen Personen mitzuhalten. Manchen depressiven Personen sieht man die Erkrankung an, da z.B. der Blick glasig ist oder die Verlangsamung, Konzentrationsschwäche oder ständige Müdigkeit auffallen. Aber bei manchen auch nicht, sie überdecken alles und brechen dann zusammen, wenn sie alleine sind. Zur letzteren Gruppe gehöre ich. Meine ersten beiden depressiven Episoden und meine chronische Suizidalität bemerkte niemand, es wurde nichteinmal vermutet. Alleine mein erhöhtes Schlafbedürfnis fiel auf und die Behandlung der Kopfschmerzen war bekannt. Ich konnte es mit niemandem teilen und schaffte es immer wieder und wieder, meine Maske aufrecht zu erhalten, selbst wenn ich Vorbereitungen traf wie z.B. mich über Suizidmethoden zu informieren oder mir Schmerzen zufügte. Meine Familie wurde informiert als mein Suizid verhindert wurde. Sie ahnten zu dem Zeitpunkt nichteinmal, dass meine Depression schon 4 Jahre zuvor begonnen hatte, ich seid ca. 10 Jahren immer wieder meinen Suizid plante und seid einem halben Jahr wegen der Depression in Behandlung war, welche zu diesem Zeitpunkt den wichtigste Teil meines Lebens darstellte. Ich hatte in der aktuellen Phase, die seid 10 Monaten bestand, viele Probleme im Kontakt mit meiner Familie, da sie mir mein Verhalten zum Vorwurf machten.Ich war distanziert und meldete mich nur, wenn ich Probleme hatte, reagierte empfindlich und desinteressiert. Sie dachten ich wäre zu faul um eigenes Geld zu verdienen, zu dumm um das Studium zu schaffen und egoistisch sowie undankbar, denn ich meldete mich nur, wenn ich um Hilfe bat. Außerdem wirkte ich desinteressiert und distanziert. Ich stieß sie von mir weg, weil ich Ihnen nicht zeigen konnte, wie es mir ging.  Sie wussten nicht, dass mir zu so vielem die Kraft fehlte und ahnten nichteinmal, dass ich mich suizidieren würde. Selbst vor meinem Therapeuten hielt ich das wahre Ausmaß der Suizidgedanken versteckt, denn ich wollte mir diese Möglichkeit nicht nehmen lassen.
Zurück zu der Konzentrationsschwäche, sie ist ein häufiges Symptom einer Depression und zeigt sich in unterschiedlichen Ausprägungen. So kann sie sich in Vergesslichkeit zeigen oder darin dass man nicht und nur sehr wenig aufnahmefähig ist, was einem z.B. beim Lesen zum verhängnis wird. Die Konzentrationsschwäche kann aber auch soweit gehen, dass der Patient im Satz stockt und nicht mehr weiß, was er sagen wollte oder sobald die Frage beendet ist, vergisst, wie sie lautete. Häufig fühlt sich das Denken verlangsamt an, ständig kommen Gedanken, die einen wie in einem Fluss aus dem eigentlichen Umfeld wegtreiben. Ständig schweifen die Gedanken ab, kreisen häufig um immer die gleichen Gedanken. Situation aus der Vergangenheit oder Zukunfts-Sorgen sind dominant, sie kommen und man hat das Gefühl ihnen wehrlos ausgesetzt zu sein. Man denkt, das ist die Realität. "Ich bin ein Versager. Ich schaffe das nicht. Ich werde alles verlieren". Der Gedankenfocus ist sozusagen nach innen gerichtet. Die Gedanken stehen im Vordergrund. Manchmal fühlt man sich unwirklich, denn alle um einen herum scheinen so anders zu sein und man bekommt nicht mehr viel mit. "Welches Lied hab ich eigentlich gerade gehört? Was hat er grad gesagt?" Und dann steigt man nicht mehr durch sein Gedankenchao durch und es überfordert einen. Die eigenen Gedanken überfordern und hat das Gefühl es nicht kontrollieren zu können. Sei es nun ein Buch, eine Vorlesung oder der Papierkram auf der Arbeit, das Gehirn scheint nicht mehr gut zu funktionieren. Die kleinen Sachen, die man früher als selbstverständlich erachtet hat, klappen nicht mehr. Für viele Menschen ist es entspannend z.B. einen Roman oder einen Krimi zu lesen, für depressive Patienten stellt dies oft eine Hürde dar.
Also versucht man sich zu schonen, geht den anstrengenden Situationen aus dem Weg und versucht Kraft zu sparen. Man geht seinem Wunsch nach, sich ins Bett zu verkriechen.
Aktivitäten, die einem früher Spaß gemacht haben oder zur Entspannung führten, sind nur noch anstrengend. Freude an den Tätigkeiten zu empfinden scheint nicht mehr möglich. Es gibt einfach nichts mehr, bei dem man sagen kann, es würde einem ein positives Gefühl geben. Die Gleichgültigkeit schwebt über allem, einen Wert in Dingen zu sehen funktioniert nicht mehr. Wenn man es z.B. geschafft hat aufzuräumen und schaut sich das saubere Zimmer an, empfindet man  nichts, da kommt einfach kein positives Gefühl mehr.
Sinn- und Hoffnungslosigkeit kommt auf. Wozu lohnt sich das Leben, wenn man doch eh an nichts mehr Freude findet kann oder diese nur so gering ist, dass der Schatten sie überdeckt? So kommt der Gedanke auf „Ich habe keine Kraft mehr, ich kann nicht mehr und möchte einfach, dass alles vorbei ist, dass ich meine Ruhe habe.“
 Viele Depressive bekommen das Gefühl wertlos und anderen eine Last zu sein. Es fällt schwer positives zu sehen, denn die Gedanken sind vom schwarz überschattet. Bei mir war es viel der Gedanke, ich sei ersetzbar. Ich hätte nichts Besonderes an mir, was andere schätzen könnten. Jemand anderes könne alles besser, der würde nicht zu wenig Energie haben um Geld zu verdienen, würde mehr lachen und die Stimmung aufheitern statt sie herunter zu ziehen. Wen interessiere es, ob ich lebe? Na klar, der Verstand sagt einem, ein Suizid ist für die Angehörigen ein ziemlicher Schlag, aber das vergehe doch mit der Zeit. Nach ein paar Wochen, Monaten oder Jahren würde jemand anderes einfach diese Rolle übernehmen. Jemand anderes wird in deren leben treten und meine Lücke ausfüllen.

Egal wie sehr du glaubst, es würde nichts ausmachen, wenn du gehst, ich bin mir sicher, dass dies nicht der Fall ist. Mir wurde es durch den verhinderten Suizid sehr deutlich gemacht, welche Auswirkung dieser hätte. Schon der Versuch hat so viel negatives ausgelöst, dass ich mir garnicht vorstellen möchte, wie es gewesen wäre, wenn er nicht verhindert worden wäre. Es ist Anderen nicht egal und eine Menge Menschen würden dir gerne helfen dein Leben lebenswerter zu machen, damit du diesen Ausweg nicht wählen musst. Und die Möglichkeit diese Hilfe zu bekommen hast du. Du musst dafür nur einmal ins Internet schauen und schon findest du Kontaktdaten von psychologischen Beratungsstellen, Seelsorgen oder der (psychiatrischen) Notaufnahme, die dir.



Ich möchte darauf hinweisen, dass ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen, Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!


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