Freitag, 15. März 2019

Wie man mit Depressionen im Bekanntenkreis umgehen kann


Was es bedeutet depressiv zu sein, können nur Betroffene tatsächlich verstehen. Was aber möglich ist, ist das Verständnis in Bezug auf die Erkrankung zu stärken. Ich habe eine ganz tolle Freundin, sie wusste von meiner Depression, verstand sie jedoch nicht. Als ich so weit war, dass ich mich in Behandlung begab, konnte ich noch nicht offen mit der Erkrankung umgehen und so wussten nur meine drei engsten Freundinnen davon. Ich konnte es Ihnen nicht verheimlichen, es fiel zu stark auf und sie sprachen mich zum Teil auch auf meine Symptome an. Ich brauchte sie, denn sie gaben mir die Kraft in Therapie zu gehen. Jedoch war es auch nicht immer einfach, ich konnte Ihnen nicht alles sagen, von meinem Hauptsymptom den Suizidgedanken, wussten sie nichts.
 Nun kommen wir zur besagten Freundin. Wir beide hatten den Wunsch aus unseren WGs auszuziehen und so zogen wir zusammen. Einige Zeit ging dies auch sehr gut, wir hatten schon die Monate zuvor viel Zeit miteinander verbracht und sie half mir mit dem Lernen, indem sie mich zum motivierte, denn alleine schaffte ich das nicht mehr. Als wir nun zusammenwohnten, kamen zwei große Streits auf. Im Nachhinein hat sie sich dafür Vorwürfe gemacht, aber ich kann ihr keinen daraus machen. Grob zusammen gefasst waren die Streits auf mein Verhalten begründet. Sie machte mir den Vorwurf, ich würde mich auf meiner Erkrankung, der Depression, ausruhen und es wäre kein Wunder, wenn ich keine Motivation zum Lernen fände, wenn ich immer in der Entscheidung schwanke, ob ich eine Klausur schreiben würde. Von diesem Vorwurf, war ich ziemlich getroffen und versuchte zu erklären „Ich ruhe mich darauf nicht aus, ich versuche meine momentanen Leistungsgrenzen zu akzeptieren“. Die Antwort, es sei doch nicht zu viel verlangt die Klausuren zu schreiben (das größe Fach hatte ich eh schon nicht, da ich im vorigen Fach nicht bestanden hatte) zusammen mit der Aussage, ich wäre ziemlich von mir eingenommen und würde anderen immer unterstellen, sie können mich nicht verstehen, wenn sie Kritik äußern würden, brachte mich in ein ziemliches Tief. Ich versank in meinem Zimmer, tat nichts mehr außer Musik zu hören und darüber zu grübeln. "Wie könne ich mit einer Person zusammen wohnen, die so eine schlechte Meinung von mir hat? Die glaubt, ich würde mich auf der Diagnose ausruhen? Die glaubt, ich bin ein Versager, denn das ist es ja schließlich, wenn ich weniger leistungsfähig bin als alle anderen. Wobei sie damit ja eigentlich recht hätte. Warum nähme ich es ihr dann eigentlich so übel? Warum schaffte ich es nicht den Haushalt so zu führen, dass sie davon nicht beeinträchtigt wäre?"
Das Gedankenkarussel hatte also völlig angefangen und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen konnte. Ich verzog mich, wollte sie nicht sehen, nicht sprechen, aß nicht und wollte mich einfach im letzten Loch verkriechen. Ich wollte nichts mehr spüren müssen. Meine Gedanken kreisten, darum sofort aus der gerade erst neuen Wohnung auszuziehen. So weit wie möglich wollte ich von ihr wegkommen, aber ich wusste nicht wohin. Ich hatte gerade mal diesen Umzug irgendwie geschafft. Ich wollte meine Ruhe, im Besonderen eigentlich vor mir selbst. Ich wollte nicht anecken, niemanden wütend machen, niemanden enttäuschen. Dieser Schwall von negativen Gefühlen wurde durch ihr Unverständnis ausgelöst. Ich hatte mich geöffnet, zum ersten Mal in meinem Leben und machte ich mich nach diesen vielen Jahren des Schweigens so verletzbar. Das Gefühl kam auf, dass diese Entscheidung die schlechteste war, die ich hätte treffen können, da sie genau diesen wunden Punkt getroffen hatte.
Am nächsten Tag, hat meine Mitbewohnerin gut reagiert. Im Gegensatz zu mir, hat sie das Gespräch gesucht und mich abgepasst als ich zur Toilette ging, das half wenigsten das akute aus dieser Situation zu entschärfen.
In unserer Erkrankung sehen wir manchmal nicht, wie eingeengt unser Denken überhaupt ist. Wir versteifen uns auf bestimmte Perspektiven. Erst spät, konnte ich, mit einem gedanklichen Anreiz meines Therapeuten, nach und nach erkennen, dass sie die Sachen nicht so meinte, wie sie bei mir ankamen. Sie wollte mir diesen Gedankengang nicht bescheren und konnte sich auch garnicht vorstellen, wie sehr mich dieser Satz treffen würde. Sie wollte mir helfen, auf gut deutsch „in den Arsch treten“, damit ich wieder mein Leben in die Hand nehmen würde. 
Es gab einen Weg aus diesem negativen Gedankenkreis, auch wenn ich ihn da noch nicht sehen konnte und es nicht für möglich gehalten habe, dass sie diese Situation zumindest im Groben lösen könnte.
Mittlerweile ist diese Freundin immernoch meine Mitbewohnerin und eine sehr enge Vertraute. Ich staune immer wieder wie viel sie in Bezug zur Erkrankung dazu gelernt hat. Sie ist vorsichtig, aber es freut mich, dass sie keine Scheu vor dem Thema hat und sich damit auseinander setzt. Ich erzähle ihr nicht alles, aber ich weiß, dass sie mir immer zuhören wird, wenn ich ihr etwas anvertrauen möchte und sie setzt mich nicht (mehr) unter Druck, wenn ich den Haushalt nicht schaffe und sie mir hinterher räumt und putzt..
Warum erzähle ich dies? Ich möchte dazu motivieren, offen mit dem Thema umzugehen. Menschen, denen man es nicht zutraut, können auch ein Verständnis erlangen. Es wird nicht jeder schaffen und es ist nicht einfach an dieses Ziel zu kommen. Damit muss man auch vorsichtig umgehen, keine Frage, aber nur wer wagt, der auch gewinnt. Ihr seid nicht alleine, Depressionen sind so weit verbreitet und werden auch immer mehr in der Gesellschaft verstanden. In einer Depression scheint es immer so als wenn alle anderen einen nicht verstehen können und das Leid nur schlimmer machen, indem sie die wunden Punkte treffen, aber das scheint uns manchmal auch nur so.
Wenn man darüber spricht, kommen manchmal auch Sachen hervor, die man nie wusste. So bekommt man z.B. auf einmal erzählt, dass jemand aus der Familie auch schon in Therapie war oder jemand anderes eine medikamentöse Therapie bekommt.
Ich empfehle euch nicht alleine dieses Thema in Angriff zu nehmen. Es wird nicht leicht, zu lernen damit offen umzugehen, wenn ihr in einer schweren Depression oder Krise steckt, deswegen empfehle ich dieses mit einer qualifizierten Person zu reflektieren. Insbesondere sind Psychotherapeuten die richtigen Ansprechpartner, aber auch mit dem Hausarzt, kann sich ein offenes Gespräch lohnen. Vielleicht habt ihr auch schon eine Person, mit der ihr offen reden könnt.
Was mir sehr geholfen hat waren Mitpatienten. Gleichgesinnte finden sich überall, so lernte ich bisher auf Station und in der Tagesklinik viele tolle Menschen kennen. Dieses Gefühl, man wird so wie man ist, akzeptiert, hat mir sehr geholfen. Dann muss man sich nicht mehr rechtfertigen, wenn man sich völlig zurückzieht oder unmotiviert ist.
Die Angst, die ich beim Umgang mit gleichaltrigen häufig habe, weil ich mich verstärkt anders-schlechter-einsamer durch diesen Kontakt fühle, hält sich unter Mitpatienten bei mir in Grenzen. Dies ist für mich besonders in Krisen sehr hilfreich. Man wächst irgendwie zusammen und ist da, wenn der andere ein Ohr zum Zuhören braucht. Das Alter oder die Lebensumstände können total verschieden sein und trotzdem verbindet einen die Erkrankung. 
Aufgrund der verschiedenen psychischen Erkrankungen bzw. deren Erscheinungsformen ist offensichtlich, dass die auch Probleme im Kontakt indizieren kann. Nicht jeder Patient, hat ein Verständnis für die Symptome anderer, selbst wenn sie sich bei ihm auch zeigen. Es wird aber immer auch Menschen geben, die einen verstehen können. Sprich deinen Therapeuten, Arzt oder eine Beratungsstelle an, so kannst du absprechen inwieweit Gruppen, ein Reha-Aufenthalt, ambulante Therapien, Selbsthilfegruppen oder die tagesklinische Behandlung für dich sinnvoll sind. 


Ich möchte darauf hinweisen, dass ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen, Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!


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