Was es bedeutet depressiv zu sein, können nur Betroffene
tatsächlich verstehen. Was aber möglich ist, ist das Verständnis in Bezug auf
die Erkrankung zu stärken. Ich habe eine ganz tolle Freundin, sie wusste von
meiner Depression, verstand sie jedoch nicht. Als ich so weit war, dass ich
mich in Behandlung begab, konnte ich noch nicht offen mit der Erkrankung umgehen
und so wussten nur meine drei engsten Freundinnen davon. Ich konnte es Ihnen
nicht verheimlichen, es fiel zu stark auf und sie sprachen mich zum Teil auch
auf meine Symptome an. Ich brauchte sie, denn sie gaben mir die Kraft in
Therapie zu gehen. Jedoch war es auch nicht immer einfach, ich konnte Ihnen
nicht alles sagen, von meinem Hauptsymptom den Suizidgedanken, wussten sie
nichts.
Nun kommen wir zur
besagten Freundin. Wir beide hatten den Wunsch aus unseren WGs auszuziehen und
so zogen wir zusammen. Einige Zeit ging dies auch sehr gut, wir hatten schon
die Monate zuvor viel Zeit miteinander verbracht und sie half mir mit dem
Lernen, indem sie mich zum motivierte, denn alleine schaffte ich das nicht
mehr. Als wir nun zusammenwohnten, kamen zwei große Streits auf. Im Nachhinein
hat sie sich dafür Vorwürfe gemacht, aber ich kann ihr keinen daraus machen.
Grob zusammen gefasst waren die Streits auf mein Verhalten begründet. Sie
machte mir den Vorwurf, ich würde mich auf meiner Erkrankung, der Depression,
ausruhen und es wäre kein Wunder, wenn ich keine Motivation zum Lernen fände,
wenn ich immer in der Entscheidung schwanke, ob ich eine Klausur schreiben
würde. Von diesem Vorwurf, war ich ziemlich getroffen und versuchte zu erklären
„Ich ruhe mich darauf nicht aus, ich versuche meine momentanen Leistungsgrenzen
zu akzeptieren“. Die Antwort, es sei doch nicht zu viel verlangt die Klausuren
zu schreiben (das größe Fach hatte ich eh schon nicht, da ich im vorigen Fach
nicht bestanden hatte) zusammen mit der Aussage, ich wäre ziemlich von mir eingenommen und würde anderen immer unterstellen, sie können mich nicht verstehen, wenn sie Kritik äußern würden, brachte mich in ein ziemliches Tief. Ich versank in meinem Zimmer, tat nichts mehr außer Musik zu
hören und darüber zu grübeln. "Wie könne
ich mit einer Person zusammen wohnen, die so eine schlechte Meinung von mir
hat? Die glaubt, ich würde mich auf der Diagnose ausruhen? Die glaubt, ich bin
ein Versager, denn das ist es ja schließlich, wenn ich weniger leistungsfähig
bin als alle anderen. Wobei sie damit ja eigentlich recht hätte. Warum nähme
ich es ihr dann eigentlich so übel? Warum schaffte ich es nicht den Haushalt so
zu führen, dass sie davon nicht beeinträchtigt wäre?"
Das Gedankenkarussel
hatte also völlig angefangen und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen konnte.
Ich verzog mich, wollte sie nicht sehen, nicht sprechen, aß nicht und wollte mich
einfach im letzten Loch verkriechen. Ich wollte nichts mehr spüren müssen.
Meine Gedanken kreisten, darum sofort aus der gerade erst neuen Wohnung
auszuziehen. So weit wie möglich wollte ich von ihr wegkommen, aber ich wusste
nicht wohin. Ich hatte gerade mal diesen Umzug irgendwie geschafft. Ich wollte
meine Ruhe, im Besonderen eigentlich vor mir selbst. Ich wollte nicht anecken,
niemanden wütend machen, niemanden enttäuschen. Dieser Schwall von negativen
Gefühlen wurde durch ihr Unverständnis ausgelöst. Ich hatte mich geöffnet, zum
ersten Mal in meinem Leben und machte ich mich nach diesen vielen Jahren des Schweigens so verletzbar. Das Gefühl kam auf, dass diese Entscheidung die schlechteste war, die ich
hätte treffen können, da sie genau diesen wunden Punkt getroffen hatte.
Am nächsten Tag, hat meine Mitbewohnerin gut reagiert. Im
Gegensatz zu mir, hat sie das Gespräch gesucht und mich abgepasst als ich zur
Toilette ging, das half wenigsten das akute aus dieser Situation zu
entschärfen.
In unserer Erkrankung sehen wir manchmal nicht, wie
eingeengt unser Denken überhaupt ist. Wir versteifen uns auf bestimmte Perspektiven.
Erst spät, konnte ich, mit einem gedanklichen Anreiz meines Therapeuten, nach
und nach erkennen, dass sie die Sachen nicht so meinte, wie sie bei mir
ankamen. Sie wollte mir diesen Gedankengang nicht bescheren und konnte sich
auch garnicht vorstellen, wie sehr mich dieser Satz treffen würde. Sie wollte
mir helfen, auf gut deutsch „in den Arsch treten“, damit ich wieder mein Leben
in die Hand nehmen würde.
Es gab einen Weg aus diesem negativen Gedankenkreis,
auch wenn ich ihn da noch nicht sehen konnte und es nicht für möglich gehalten
habe, dass sie diese Situation zumindest im Groben lösen könnte.
Mittlerweile ist diese Freundin immernoch meine
Mitbewohnerin und eine sehr enge Vertraute. Ich staune immer wieder wie viel
sie in Bezug zur Erkrankung dazu gelernt hat. Sie ist vorsichtig, aber es freut
mich, dass sie keine Scheu vor dem Thema hat und sich damit auseinander setzt.
Ich erzähle ihr nicht alles, aber ich weiß, dass sie mir immer zuhören wird,
wenn ich ihr etwas anvertrauen möchte und sie setzt mich nicht (mehr) unter Druck,
wenn ich den Haushalt nicht schaffe und sie mir hinterher räumt und putzt..
Warum erzähle ich dies? Ich möchte dazu motivieren, offen
mit dem Thema umzugehen. Menschen, denen man es nicht zutraut, können auch ein
Verständnis erlangen. Es wird nicht jeder schaffen und es ist nicht einfach an
dieses Ziel zu kommen. Damit muss man auch vorsichtig umgehen, keine Frage,
aber nur wer wagt, der auch gewinnt. Ihr seid nicht alleine, Depressionen sind
so weit verbreitet und werden auch immer mehr in der Gesellschaft verstanden.
In einer Depression scheint es immer so als wenn alle anderen einen nicht
verstehen können und das Leid nur schlimmer machen, indem sie die wunden Punkte
treffen, aber das scheint uns manchmal auch nur so.
Wenn man darüber spricht, kommen manchmal auch Sachen
hervor, die man nie wusste. So bekommt man z.B. auf einmal erzählt, dass jemand
aus der Familie auch schon in Therapie war oder jemand anderes eine
medikamentöse Therapie bekommt.
Ich empfehle euch nicht alleine dieses Thema in Angriff zu
nehmen. Es wird nicht leicht, zu lernen damit offen umzugehen, wenn ihr in
einer schweren Depression oder Krise steckt, deswegen empfehle ich dieses mit einer
qualifizierten Person zu reflektieren. Insbesondere sind
Psychotherapeuten die richtigen Ansprechpartner, aber auch mit dem Hausarzt,
kann sich ein offenes Gespräch lohnen. Vielleicht habt ihr auch schon eine
Person, mit der ihr offen reden könnt.
Was mir sehr geholfen hat waren Mitpatienten.
Gleichgesinnte finden sich überall, so lernte ich bisher auf Station und in der
Tagesklinik viele tolle Menschen kennen. Dieses Gefühl, man wird so wie man ist,
akzeptiert, hat mir sehr geholfen. Dann muss man sich nicht mehr rechtfertigen,
wenn man sich völlig zurückzieht oder unmotiviert ist.
Die Angst, die ich
beim Umgang mit gleichaltrigen häufig habe, weil ich mich verstärkt anders-schlechter-einsamer
durch diesen Kontakt fühle, hält sich unter Mitpatienten bei mir in Grenzen. Dies ist
für mich besonders in Krisen sehr hilfreich. Man wächst irgendwie zusammen und
ist da, wenn der andere ein Ohr zum Zuhören braucht. Das Alter oder die
Lebensumstände können total verschieden sein und trotzdem verbindet
einen die Erkrankung.
Aufgrund der verschiedenen psychischen Erkrankungen bzw. deren
Erscheinungsformen ist offensichtlich, dass die auch Probleme im Kontakt
indizieren kann. Nicht jeder Patient, hat ein Verständnis für die Symptome
anderer, selbst wenn sie sich bei ihm auch zeigen. Es wird aber immer auch
Menschen geben, die einen verstehen können. Sprich deinen Therapeuten, Arzt
oder eine Beratungsstelle an, so kannst du absprechen inwieweit Gruppen, ein
Reha-Aufenthalt, ambulante Therapien, Selbsthilfegruppen oder die
tagesklinische Behandlung für dich sinnvoll sind.
Ich möchte darauf hinweisen, dass
ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an
medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über
die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen
persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen
in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche
Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten
ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen,
Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!
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