Freitag, 15. März 2019

Wie läuft eine psychiatrische tagesklinik ab?


Mit meiner Ärztin auf Station besprach ich die Möglichkeiten der Weiterbehandlung und entschied mich für die Tagesklinik. Sie erzählte mir, diese gäbe es auf chronische Depressionen, also mein Krankheitsbild, spezialisiert und läge auch auf dem Campus. Sie bestehe aus wöchentlich einem therapeutischen Einzelgespräch und einem Gruppentermin sowie verschiedenen Angeboten der Ergo- und Physiotherapie bestehen. Wirklich viel konnte ich mir darunter noch nicht vorstellen. Deswegen möchte ich jetzt einmal beschreiben wie ein tagesklinischer Aufenthalt aussehen kann. Dies ist natürlich abhängig von den behandelten Erkrankungen, so beziehe ich mich auf die psychiatrische Tagesklinik zur Behandlung chronischer Depressionen. Dies sind also Erfahrung, die nur als grobe Leitlinie gesehen werden können, da jede Klinik eigene Spezialisierung und Therapien anbieten.
Die Behandlung durch eine Tagesklinik ist eigentlich relativ ähnlich zu einem stationären Aufenthalt, der größte Unterschied besteht darin, dass der Patient am frühen Abend nach Hause fährt und morgens wieder kommt.
Bei uns sah es morgens so aus, dass ankamen uns schonmal in den Gruppenraum setzen konntenn und dann in der Gruppe mit einer kurzen Achtsamkeitsübung (Meditation) in den Tag starteten. Danach frühstückten wir gemeinsam, welches ich als angenehmer empfand als auf Station, denn dort saßen nicht alle zur gleichen Zeit am Tisch und es wirkte viel offener ohne, dass jeder sein eigenes Tablet hatte.
Für die meisten Patienten gab es nach dem Frühstück das Intervalltraining. Im Grunde ist dieses im Kreis laufen, indem man Intervalle einbauen kann indem man z.B. das Tempo erhöht um so die körperliche Betätigung zu haben, die sich positiv auf die psyche auswirkt oder man nutzt diese Zeit für eine Achtsamkeitsübung. Dabei konzentriert man sich auf den eigen Körper, setzt ganz bewusst einen Schritt vor den anderen und lässt Gedanken ziehen anstatt sie in den Vordergrund treten zu lassen. Dieses soll einen entspannen und helfen seine Konzentration auf die Umgebung und nicht auf die Gedanken zu fokussieren.
Nun kamen je nach Tag verschiedene Gruppen sowie die schon genannte Einzel- und Gruppentherapie dazu. Bei mir bestanden die Therapien in einer Woche aus 1xAchtsamkeitstraining, 1xNordic-Walking, 3xRückenfit, 1xStressbewältigung, 1xKreativgruppe und 1xAlltagstraining.
Die Achtsamkeit hatte ich schon kurz angeschnitten. Die Achtsamkeit ist wie beim Joga, man konzentriert sich auf seinen Körper. Man lässt Gedanken ziehen und geht nicht auf sie. Habe ich z.b. den Gedanken „das ist doch totaler Unsinn, was ich hier machen soll“ so geht man nicht auf diesen ein indem man z.b. Gründe dafür sucht, warum dieses gerade so sinnlos ist. Man konzentriert sich auf das Hier und Jetzt also z.B. die Geräusche des Umfeldes. Zudem kann man verschiedene Techniken nutzen, so gibt es Qui Gong , Pilates, Traumreisen oder Duftreisen um nur einige zu nennen. Diese Gruppe behandelte das Thema, wie man Achtsamkeit in den Alltag einbauen kann z.B. mit Wechselduschen oder bewusstem Teetrinken. Dabei schaut man sich z.b. den Tee genau an, riecht an ihm, fühlt die Wärme der Tasse, nimmt bewusst einen Schluck und lässt ihn kurz im Mund verweilen um dann den zweiten Schluck zu schmecken. Schmeckt er anders? Riecht der Tee immer noch gleich?
Bewegung hat bewiesener Maße positive Wirkung auf die Psyche, jedoch fällt depressiven Patienten schwer den nötigen Antrieb zu finden und sich körperlich zu betätigen auch wenn jeder Schritt schwer fällt, weil alles so ermüdent ist. Ist man jedoch schon in der Tagesklinik und ist somit schon morgens auf den Beinen anstatt bis mittags im Bett zu liegen, so ist das ein kleiner Anfang und hilft schon. Nun kann man sich durch das Pflichtgefühl die Therapien wahrnehmen zu müssen oder mit den Mitpatienten zusammen besser aufraffen. Mir hat immer sehr geholfen, dass es ein Angebot (sowohl für stationäre, tagesklinische oder ambulante ) Patienten mit psychischer Erkrankung war und ich somit nicht (wie bei anderen Angeboten z.b. von der Uni, einem Sportverein oder der Volkshochschule) psychisch gesunde Mitsportler habe, bei denen ich das Gefühl hätte, sie würden auf mein Gewicht, auf meine Sportlichkeit oder mein soziales Verhalten achten. Ich empfinde den Kontakt mit Mitpatienten sehr viel einfacher als mit anderen Mitmenschen, die ich neu kennenlerne, einfach weil es dann nicht darauf ankommt, wie gut du bist. Es ist meiner Meinung nach ein anderes Miteinander unter psychisch kranken Personen. Die Mitpatienten sind aus unterschiedlichen Altersklassen, manche sind sehr sportlich, andere überhaupt nicht, oder welche haben motorische Einschränkungen und die Menschen sind einfach bunt gemischt. 
Ich habe mich in der Tagesklinik mit einigen Mitpatienten angefreundet. Wenn ich jemandem, der mich nicht kennt erzählen würde, ich hätte mehrere Freundinnen im Alter zwischen 30 und 60, würde ich wahrscheinlich schonmal als komisch eingestuft werden. Aber genau diese Vielfalt, die durch einen wichtigen Punkt verbunden ist, das man die gleiche oder zumindest aus dem gleichen Bereich kommende Erkrankung hat, verbindet und man lernt Menschen kennen, zu denen man eine ganz andere Bindung hat wie zu „psychisch gesunden“ Menschen. So nun bin ich ein bischen abgeschwiffen. Kurz und Knapp, die sportlichen/physiotherapeutischen Angebote können vielfältig sein. 
Dann gab es noch eine Gruppe, die sich Alltagsgruppe nennt und von einer Ergotherapeutin geleitet wird. In dieser wurden Themen wie z.B. Selbstfürsorge, Sozialer Kontakt, Freizeitgestaltung oder Krisenbewältigung besprochen.
In der Kreativgruppe konnte man verschiedene Techniken ausprobieren und hatte eine Ergotherapeutin als Ansprechpartnerin, die einen u.A. bei der Frustrationsbewältigung oder zum Umsetzen von Zielen wie z.B, sich auf das kreative Werkeln zu konzentrieren unterstützen kann.
Außerdem gab es die Gruppe Stressbewältigung in der man lernt wie man besser mit Anspannung umgehen bzw. sie lindern kann.
Wie auch auf Station hat man in der Tagesklinik viel freie Zeit und es kann passieren, dass an manchen Tagen immer ganz viele Therapien stattfinden und du kaum pause hast. An einem anderen Tag wiederum kommst du für die Morgenmeditation, dem gemeinsamen essen und nur einer Therapie. Dafür gab es in der Einrichtung Ruheräume, in denen man sich zurückziehen konnte, wenn man nicht mit den Mitpatienten zusammen sitzen mochte. Die Tage vor Beginn meiner Tagesklinischen Behandlung, fühlte ich mich mit dem Gedanken an das viele Neue und den vielen Aktivitäten sowie sozialen Kontakt völlig überfordert. Ich hatte Angst davor und begann Gründe zu suchen, nicht in diese Tagesklinik zu wollen. Zum  Glüch ich darüber und eine Therapeutin half mir die Entscheidung diese notwendige Möglichkeit anzunehmen. In den zwei Nächten vormeinem Aufnahmtermin schlief ich wieder sehr schlecht, sodass meine Mitpatienten am Tisch mich kaum sahen,denn entweder war ich bei einem Gespräch oder im Ruheraum. Es strengte mich sehr an und ich brauchte meine Ruhe und den Schlaf, den ich die Tage zuvor kaum bekam. Die ersten Tage war man noch nicht zu vielen Gruppen angemeldet, hatte aber ein ärztliches,ein psychologisches und Aufnahmegespräche mit dem Bezugspfleger. Ich denke viele schwer depressive Menschen, die in ihrem Alltag so stark eingeschränkt sind, geht es ähnlich wie mir zu der Zeit. Aber es lohnt sich, sich aufzuraffen und diesen so anstrengenden Schritt zu wagen!  Kontakt mit den Mitpatienten half mir nach den ersten Tagen sehr viel, selbst wenn man sich nur zusammen beschäftigt und nicht redet, so  ist es besser als alleine im Bett zu liegen und nichts zu tun. Wir haben z.B. viel gefaltet, Mandalas gemalt oder gestrickt. Manche Patienten waren von den vielen therapiefreien Zeiten gestört/gelangweilt. Für mich, und ich denke ich spreche da auch für einige (depressive) Patienten, war diese freie Zeit wichtig um aufzuatmen und Therapiethemen sacken lassen zu können. Viele Patienten in der Tagesklinik sind krank geschrieben und sind froh, dass sie keiner Arbeit nachgehen müssen und Zeit haben, Kraft zu sammeln. Themen, die in Gruppen oder auch im psychotherapeutischem Gespräch auftreten, können einen manchmal auch ganz schön aufwühlen und man braucht Zeit es zu verarbeiten. Einige Patienten jedoch brauchen diese Zeit nicht und beschweren sich dann über Langeweile, sie könnten zuhause ja doch viel mehr machen und würden die Zeit nur „absitzen“. Für diese Patienten wäre eine ambulante Lösung, in der man nur direkt zu den Therapien geht, vielleicht passender. Auch ambulant gibt es eine Menge an Angeboten, wenn man sich darüber informiert.


Ich möchte darauf hinweisen, dass ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen, Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Was nimmt man mit? Einpackliste für die (geschlossene) Psychiatrie

Bei meiner Einweisung fragte meine Schwester eine Bekannte, was mir denn helfen könnte, so möchte ich mich nun dem Thema widmen, was ich als...