Mit meiner Ärztin auf Station besprach ich die Möglichkeiten der Weiterbehandlung und entschied mich für die Tagesklinik. Sie erzählte mir, diese gäbe es auf chronische Depressionen, also
mein Krankheitsbild, spezialisiert und läge auch auf dem Campus. Sie bestehe
aus wöchentlich einem therapeutischen Einzelgespräch und einem Gruppentermin sowie verschiedenen Angeboten der Ergo- und
Physiotherapie bestehen. Wirklich viel konnte ich mir darunter noch nicht vorstellen.
Deswegen möchte ich jetzt einmal beschreiben wie ein tagesklinischer Aufenthalt
aussehen kann. Dies ist natürlich abhängig von den behandelten Erkrankungen, so
beziehe ich mich auf die psychiatrische Tagesklinik zur Behandlung chronischer Depressionen. Dies sind also Erfahrung, die nur als grobe Leitlinie gesehen werden können, da jede Klinik eigene Spezialisierung und Therapien anbieten.
Die Behandlung durch eine Tagesklinik ist eigentlich relativ
ähnlich zu einem stationären Aufenthalt, der größte Unterschied besteht darin, dass der Patient am frühen Abend nach
Hause fährt und morgens wieder kommt.
Bei uns sah es morgens so aus, dass ankamen uns schonmal in den Gruppenraum setzen konntenn und dann in der Gruppe mit einer kurzen Achtsamkeitsübung (Meditation) in den Tag starteten. Danach frühstückten wir gemeinsam, welches ich als angenehmer empfand als auf Station, denn dort saßen nicht alle zur gleichen Zeit am Tisch und es wirkte viel offener ohne, dass jeder sein eigenes Tablet hatte.
Für die meisten Patienten gab es nach dem
Frühstück das Intervalltraining. Im Grunde ist dieses im Kreis laufen, indem man Intervalle einbauen
kann indem man z.B. das Tempo erhöht um so die körperliche Betätigung zu
haben, die sich positiv auf die psyche auswirkt oder man nutzt diese Zeit für eine Achtsamkeitsübung. Dabei konzentriert man sich auf den eigen Körper, setzt ganz bewusst einen Schritt vor den
anderen und lässt Gedanken ziehen anstatt sie in den Vordergrund treten zu lassen. Dieses soll einen entspannen und helfen seine
Konzentration auf die Umgebung und nicht auf die Gedanken zu fokussieren.
Nun kamen je nach Tag verschiedene Gruppen sowie die schon
genannte Einzel- und Gruppentherapie dazu. Bei mir bestanden die Therapien in
einer Woche aus 1xAchtsamkeitstraining, 1xNordic-Walking, 3xRückenfit, 1xStressbewältigung, 1xKreativgruppe und 1xAlltagstraining.
Die Achtsamkeit hatte ich schon kurz angeschnitten. Die
Achtsamkeit ist wie beim Joga, man konzentriert sich auf seinen Körper. Man
lässt Gedanken ziehen und geht nicht auf sie. Habe ich z.b. den Gedanken „das
ist doch totaler Unsinn, was ich hier machen soll“ so geht man nicht auf diesen
ein indem man z.b. Gründe dafür sucht, warum dieses gerade so sinnlos ist. Man
konzentriert sich auf das Hier und Jetzt also z.B. die Geräusche des Umfeldes. Zudem kann man verschiedene Techniken
nutzen, so gibt es Qui Gong , Pilates, Traumreisen oder Duftreisen um nur
einige zu nennen. Diese Gruppe behandelte das Thema, wie man Achtsamkeit in den
Alltag einbauen kann z.B. mit Wechselduschen oder bewusstem Teetrinken. Dabei
schaut man sich z.b. den Tee genau an, riecht an ihm, fühlt die Wärme der
Tasse, nimmt bewusst einen Schluck und lässt ihn kurz im Mund verweilen um dann
den zweiten Schluck zu schmecken. Schmeckt er anders? Riecht der Tee immer noch
gleich?
Bewegung hat bewiesener Maße positive Wirkung auf die
Psyche, jedoch fällt depressiven Patienten schwer den nötigen Antrieb zu finden und sich körperlich zu betätigen auch wenn jeder Schritt schwer fällt, weil alles so ermüdent ist. Ist man jedoch schon in der Tagesklinik und ist somit schon morgens auf den Beinen
anstatt bis mittags im Bett zu liegen, so ist das ein kleiner Anfang und hilft schon. Nun kann
man sich durch das Pflichtgefühl die Therapien wahrnehmen zu müssen oder mit den
Mitpatienten zusammen besser aufraffen. Mir hat immer sehr geholfen, dass es
ein Angebot (sowohl für stationäre, tagesklinische oder ambulante ) Patienten
mit psychischer Erkrankung war und ich somit nicht (wie bei anderen Angeboten
z.b. von der Uni, einem Sportverein oder der Volkshochschule) psychisch gesunde
Mitsportler habe, bei denen ich das Gefühl hätte, sie würden auf mein Gewicht,
auf meine Sportlichkeit oder mein soziales Verhalten achten. Ich empfinde den
Kontakt mit Mitpatienten sehr viel einfacher als mit anderen Mitmenschen, die
ich neu kennenlerne, einfach weil es dann nicht darauf ankommt, wie gut du bist. Es ist meiner Meinung nach ein anderes Miteinander unter psychisch kranken Personen. Die
Mitpatienten sind aus unterschiedlichen Altersklassen, manche sind sehr
sportlich, andere überhaupt nicht, oder welche haben motorische Einschränkungen
und die Menschen sind einfach bunt gemischt.
Ich habe mich in der Tagesklinik
mit einigen Mitpatienten angefreundet. Wenn ich jemandem, der mich nicht kennt
erzählen würde, ich hätte mehrere Freundinnen im Alter zwischen 30 und 60,
würde ich wahrscheinlich schonmal als komisch eingestuft werden. Aber genau diese
Vielfalt, die durch einen wichtigen Punkt verbunden ist, das man die gleiche
oder zumindest aus dem gleichen Bereich kommende Erkrankung hat, verbindet und
man lernt Menschen kennen, zu denen man eine ganz andere Bindung hat wie zu
„psychisch gesunden“ Menschen. So nun bin ich ein bischen abgeschwiffen.
Kurz und Knapp, die sportlichen/physiotherapeutischen Angebote können
vielfältig sein.
Dann gab es noch eine Gruppe, die sich Alltagsgruppe nennt und von einer
Ergotherapeutin geleitet wird. In dieser wurden Themen wie z.B. Selbstfürsorge, Sozialer
Kontakt, Freizeitgestaltung oder Krisenbewältigung besprochen.
In der Kreativgruppe konnte man verschiedene Techniken
ausprobieren und hatte eine Ergotherapeutin als Ansprechpartnerin, die einen u.A. bei der Frustrationsbewältigung oder zum Umsetzen von Zielen
wie z.B, sich auf das kreative Werkeln zu konzentrieren unterstützen kann.
Außerdem gab es die Gruppe Stressbewältigung in der man
lernt wie man besser mit Anspannung umgehen bzw. sie lindern kann.
Wie auch auf Station hat man in der Tagesklinik viel
freie Zeit und es kann passieren, dass an manchen Tagen immer ganz viele
Therapien stattfinden und du kaum pause hast. An einem anderen Tag wiederum kommst du für
die Morgenmeditation, dem gemeinsamen essen und nur einer Therapie. Dafür gab
es in der Einrichtung Ruheräume, in denen man sich zurückziehen konnte, wenn man nicht mit den Mitpatienten zusammen sitzen mochte. Die Tage vor Beginn meiner Tagesklinischen Behandlung, fühlte ich mich mit dem Gedanken an das viele Neue und den vielen Aktivitäten sowie sozialen Kontakt völlig überfordert. Ich hatte Angst davor und begann Gründe zu suchen, nicht in diese Tagesklinik zu wollen. Zum Glüch ich darüber und eine Therapeutin half mir die Entscheidung diese notwendige Möglichkeit anzunehmen. In den zwei Nächten vormeinem Aufnahmtermin schlief ich wieder sehr schlecht, sodass meine Mitpatienten am Tisch mich kaum sahen,denn entweder war ich bei einem Gespräch oder im Ruheraum. Es strengte mich sehr an und ich brauchte meine Ruhe und den Schlaf, den ich die Tage zuvor kaum bekam. Die ersten Tage war man noch nicht zu vielen Gruppen angemeldet, hatte aber ein ärztliches,ein psychologisches und Aufnahmegespräche mit dem Bezugspfleger. Ich denke viele schwer depressive Menschen, die in ihrem Alltag so stark eingeschränkt sind, geht es ähnlich wie mir zu der Zeit. Aber es lohnt sich, sich aufzuraffen und diesen so anstrengenden Schritt zu wagen! Kontakt mit den Mitpatienten half mir nach den ersten Tagen sehr viel, selbst wenn man sich nur zusammen beschäftigt und nicht redet, so ist es besser als alleine im Bett zu liegen und nichts zu tun. Wir
haben z.B. viel gefaltet, Mandalas gemalt oder gestrickt. Manche Patienten
waren von den vielen therapiefreien Zeiten gestört/gelangweilt. Für mich, und
ich denke ich spreche da auch für einige (depressive) Patienten, war diese freie Zeit wichtig um aufzuatmen und Therapiethemen sacken lassen zu können.
Viele Patienten in der Tagesklinik sind krank geschrieben und sind froh, dass
sie keiner Arbeit nachgehen müssen und Zeit haben, Kraft zu sammeln. Themen, die
in Gruppen oder auch im psychotherapeutischem Gespräch auftreten, können einen
manchmal auch ganz schön aufwühlen und man braucht Zeit es zu verarbeiten.
Einige Patienten jedoch brauchen diese Zeit nicht und beschweren sich dann über
Langeweile, sie könnten zuhause ja doch viel mehr machen und würden die Zeit
nur „absitzen“. Für diese Patienten wäre eine ambulante Lösung, in der man nur
direkt zu den Therapien geht, vielleicht passender. Auch ambulant gibt es eine
Menge an Angeboten, wenn man sich darüber informiert.
Ich möchte darauf hinweisen, dass
ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an
medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über
die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen
persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen
in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche
Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten
ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen,
Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!
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