Freitag, 15. März 2019

Wie sich die Zwangseinweisung in die Geschlossene Psychiatrie, Fixierung und der stationäre Aufenthalt anfühlt


In der Gesellschaft ist die geschlossene Psychiatrie etwas zu der kaum jemand einen Bezug hat. Nur wenige Menschen wissen, wie es in dieser zugeht. „Da sind die Komplettverrückten, die fixiert werden müssen, um sich schlagen, vollgepumpt werden mit Medikamenten und total neben sich stehen“, werden so einige denken. Auch in Filmen/Serien wird es uns häufig dieses Bild vermittelt.
Ich war selbst in der geschlossenen Psychiatrie und habe dadurch einige Erkrankungen, Menschen und Umstände kennengelernt. Nun habe ich einen Bezug dazu und möchte diesen nutzen um Verständnis zu fördern und der Distanz zu diesem Thema vielleicht ein wenig entgegen zu wirken.

Durch eine Suizidthematik, hatte ich mich schon länger mit dem Gedanken an die Psychiatrie befasst. Durch manche Dokumentationen bekam ich einen kleinen Einblick, viele Informationen, die für mich relevant gewesen wären, fand ich jedoch nicht. Zu dieser Zeit hatte ich das Gefühl nicht in die Psychiatrie zu gehören, sozusagen diese intensive Behandlung nicht zu „verdienen“, dafür würde es mir nicht schlecht genug gehen. Außerdem hatte ich große Angst vor einer Zwangseinweisung, weil ich glaubte, es wäre für mich unvorstellbar grausam am Suizid gehindert zu werden und leben zu müssen. Auch die fehlende Möglichkeit einen stationären Aufenthalt z.B. vor meiner Familie zu verstecken, war für mich ein Horrorszenario, denn die wenigsten wussten überhaupt von Depressionen, geschweige denn von Suizidgedanken.
Nun war es dazu gekommen, dass mein Suizid verhindert wurde. Ich wachte zum ersten Mal auf der Intensivstation auf und schaute an mir herunter. Ich hatte eine Magensonde in der Nase, einen Tubus im Hals, mehrere Zugänge und ich war fixiert! Eine Schwester oder Ärztin, ich weiß es nicht, war über mich gebeugt und erklärte mir, ich sei im Krankenhaus und sei fixiert, damit ich mir nichts antun könne. Sicher denken jetzt die Meisten, es müsse grausam gewesen sein so „gefangen“ gewesen zu sein. Schließlich sollen auch ein Tubus und eine Magensonde schmerzhaft sein, sodass Patienten sich im wachen Zustand gegen den Tubus wehren. Jedoch war meine Erfahrung anders!
Ich war erst ein wenig verwirrt, aber als die Pflegerin zu mir sprach, fühlte ich mich tatsächlich gut aufgehoben. Ich habe nicht viel gefühlt und ich kann mich nur an ein paar Sekunden erinnern in denen ich die Situation kurz beobachtet und dann „losgelassen“ habe. Ich habe einfach wieder die Augen zugemach. Danach kann ich mich nicht erinnern weiter fixiert gewesen zu sein, ich habe mich gegenüber dem Krankenhauspersonal anscheinend ruhig verhalten. Auch beim Entfernen des Tubus und der Magensonde kann ich mich an kein negatives Gefühl erinnern, es war eher so als würde ich beobachten, dass ich unendlich müde war und mich ausruhen durfte. An den Tag (ich wurde nachts eingeliefert) kann ich mich nur vereinzelnd erinnern. Meine Erinnerungen habe ich erst durch die Erzählungen meiner Familie bzw. durch meine Unterlagen in zeitlichen Zusammenhang bringen können.
Aus Schreiben, die ich später erhielt, konnte ich entnehmen, dass die Fixierung und der gezwungene Aufenthalt auf der Intensivstation vorläufig vom Gesundheitsamt, aufgrund einer vermutlich schwerwiegenden depressiven Episode, genehmigt wurde.
Außerdem sprach ich mit einer Psychologin, an welche ich mich jedoch nicht erinnern kann, die angab, ich sei nicht absprachefähig, könne mich nicht klar vom Suizid distanzieren und wäre somit weiter eigengefährdet. Später sprach ich dann mit einem Richter, der die Zwangseinweisung auf die geschlossene Psychiatrie für 2 Wochen ansetzte. Nachmittags wurde ich dann in diese verlegt. Dort hatte ich ein Aufnahmegespräch, wobei ich mich jedoch nur an Ausschnitte erinnere. Meine Familie wurde von der Intensivstation aus informiert und kam am nächsten Morgen als sie die Information erhielt. Diese Benachrichtigung ist durch das Gesetz zur Hilfe und Unterbringung psychisch kranker Menschen (psychKG) auch ohne die Zustimmung des Patienten möglich.Dieses regelt auch die weiteren Aspekte einer Zwangseinweisung. Ich bekam in die Psychiatrie die Unterlagen zu Mitschriften von Gesprächen und Entschlüssen geschickt.
Da Wochenende war, sprach ich erst wieder am dritten Tag, an dem ich wieder klar war, über den Suizidversuch. Meine Stimmung war völlig entgegen dieser zuvor positiv (aufgrund vieler Aspekte) und ich empfand es irgendwie als Urlaub von meiner depressiven Symptomatik. Es war befreiend endlich diesen Wunsch nicht mehr zu verstecken. Nun wusste meine Familie von der Depression und dem Suizidwunsch. Das Pflegepersonal war freundlich und hilfsbereit, ich empfand es nicht als menschenunwürdig.
Wie es der Name sagt, kommt man aus einer geschlossenen Station nicht so einfach raus. Außerdem müssen mitgebrachte Dinge abgegeben bzw. durchsucht werden. So dürfen die Patienten z.B. keine gefährliche Gegenstände (z.B. Rasierer, Schere, lange Kabel,…) auf der Station bei sich haben. Gegebenenfalls dürfen Gegenstände unter Aufsicht genutzt werden. Damit wird natürlich eine Gefährdung verringert, aber auch vor Triggern wird der Patient möglichst geschützt. Trigger sind Dinge, die beim Patienten negative Gefühle bzw. Handlungen verstärken oder auslösen, so gehört hierzu dann auch das Handy oder blutrüstige Bücher. Zum Schutze des eigenen Besitzes wurde empfohlen , wertvolle Dinge immer bei sich zu tragen oder im Dienstzimmer zum einschließen abzugeben.
Umgangssprachlich wird für eine Station der Begriff „geschlossene Psychiatrie“ genutzt, jedoch finde ich den medizinischen Namen passender. Geschützte Psychiatrie! Ich habe mich so einige Male auch eingesperrt gefühlt, sonst hätte ich dort wahrscheinlich auch nicht hingehört, aber ansich werden die Patienten geschützt, vor sich selbst und vor anderen. Dort steht man unter Beobachtung des medizinischen Teams insb. Des Pflegepersonales. Wenn ich nachts wach war, so wusste das z.B. die Pflegerin am nächsten Tag. Wirkte ich unmotiviert und lag nur im Bett, so wurde es von dem Pflegepersonal (oder auch Physio- bzw. ergotherapeuten) an meine Ärztin weitergegeben. Jemand hält ein Auge auf den Patienten, nicht anklagend oder abwertend, sondern auf eine helfende Art. So kümmert sich jemand darum, dass du dein Medikament nimmst, dass du zum Essen kommst oder wirst aus dem Zimmer zu einer Therapie abgeholt.
Psychische Erkrankungen sind natürlich auch im Pflegekontakt manchmal sehr schwierig und ein Patient kann sich trotz oder gerade wegen der Bemühung schlecht behandelt fühlen. Im Gesamten jedoch, habe ich bei allen Pflegern, mit nur wenigen Ausnahmen, das Gefühl gehabt, menschlich behandelt zu werden. Die Behandlung ist für jeden Patienten individuell angepasst und die kritischen Behandlungen wie z.B. Fixierung, sedierende Medikamente o.Ä. werden so gering wie möglich gehalten d.h. nur bei akuter Gefahr angewendet.   
Ein wichtiger Bestandteil der Behandlung sind die Visitegespräche. Diese fanden werktags statt und einmal die Woche in der größeren Runde als Oberarztvisite. So kam ich an meinem ersten klaren Werktag gleich zur Oberarztvisite in einen kleinen Raum voller unbekannter Gesichter. Ein Pfleger war immer dabei, dann manchmal jemand von dem Sozialdienst und einige Assistenzärzte (Ärzte in der Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie). Ich hatte zuvor nie mit mehreren Leuten über die Depression geredet. Nun saß ich vor bestimmt 10 Leuten und sollte Fragen zum Suizidversuch beantworten. Später auf der offenen Station wurde ich darauf hingewiesen, dass es auch in kleinerem Kreis möglich wäre dieses heikle Thema zu besprechen. Ich nehme an, dass dies auf der geschützten Situation nicht der Fall war, da ich schon beim Aufnahmegespräch sehr trocken darüber sprechen konnte. In Fachsprache wird dies übrigens als verminderte Affektivität bezeichnet. Ich war sehr überrascht, wie einfach es für mich war, andere Personen auszublenden. Ich hätte vorher nicht gedacht, dass ich dieses ohne Probleme könnte.
 Auch hätte ich vor meinem stationären Aufenthalt nie gedacht, dass ich dort freiwillig bleiben und mich wohler fühlen würde als zuhause. Mir wurde nun so offensichtlich gezeigt, was ein Suizid mit meinem Umfeld machen würde. Nicht nur meine engsten Bezugspersonen, sondern auch viele weitere Bekannte oder spätere Mitpatienten waren geschockt und traurig, dass ich diesen Schritt gehen wollte. Ich wollte es Ihnen nicht antun, als ich nun wusste was schon der überlebte Versuch für eine Reaktionen auslöste.
Egal wie sehr du glaubst, es würde nichts ausmachen, wenn du gehst, ich bin mir sicher, dass dies nicht der Fall ist. Es ist nicht egal und eine Menge Menschen würden dir gerne helfen dein Leben lebenswerter zu machen, damit du diesen Ausweg nicht wählen musst. Die Möglichkeit, diese Hilfe zu bekommen, hast du an vielerlei Stellen. Du musst dafür nur einmal ins Internet schauen und schon findest du Kontaktdaten von psychologischen Beratungsstellen, Seelsorgen oder der (psychiatrischen) Notaufnahme, die dir Hilfe anbieten. Auch in deinem sozialen Umfeld wirst du Personen finden, die dir helfen möchten, fällt es dir leichter mit jemandem außerhalb deines sozialen Umfeldes zu sprechen, so hast du viele Möglichkeiten.
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich weder Medizinerin oder Psychologin bin, noch irgendeine Art an medizinischer Ausbildung besitze. Alle von mir hier getroffenen Aussagen über die psychiatrische/ psychotherapeutische Behandlung ergeben sich aus meinen persönlichen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Denkweisen als Patientin. Sie stellen in keiner Weise Heilversprechen dar. Die Inhalte können keine persönliche Beratung, eine Untersuchung oder Diagnose durch einen Arzt oder Therapeuten ersetzen und du solltest meine Information auch nicht dazu nutzen, Eigendiagnosen zu stellen oder dich selbst zu therapieren!

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